„Langschlag Wolf“ Der kleine Bericht von einem, der es nicht lassen kann!

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So fing es an: Mal von Meersburg nach Hagnau paddeln?
Ob ich das kann? Das sind ja sechs Kilometer hin und zurück! Die Muskeln haben’s ausgehalten. An das Gewackel hat man sich langsam gewöhnt. Wenn die Motorbootwellen kamen, schnell dagegen steuern. Das hilft, platscht aber auch ziemlich und das Brett steht still, nachdem es sich ausgepatscht hat. Mittlerweile ist das Standard bei vielen Paddlern: Halbe Stunde hin, halbe Stunde zurück. Manche brauchen länger, andere schaffen es in zweimal 20 Minuten. So ging es weiter:
Darf man eigentlich über den See fahren mit einem SUP? Warum eigentlich nicht? Die Bodenseeschifffahrtsverordnung hinkt da etwas nach. Da gibt es noch Zonen, die nicht überschrit[1]ten werden dürfen. Auf jeden Fall beanspruchen die SUPer das gleiche Recht wie die Kajakfahrer, wenn sie entsprechend ausgerüstet sind. Also Schwimmweste in BRD dabeihaben, in CH immer tragen. Name und Adresse, evtl. Telefonnummer am Brett anbringen. Natürlich angepasste Kleidung. Die Herbst-Frühjahr-Fahrer haben einen Trockenanzug mit Funktionswäsche drunter. Wer es im Dunkeln versucht, muss ein Rundumlicht dabeihaben. Aber wo anbringen? Auf der Mütze? Erste Bodensee-Scouts haben sich das Hörnle mit seinem gut sichtbaren Glockenschlagwerk ausge[1]sucht und sind bei guter Sicht und wenig Wind und Welle losgepaddelt. 240 Grad war der Kurs hin. Zurück war’s schon schwieriger einen Punkt zu fixieren: Ein Funkmast war aber gut sichtbar. Gut eine Stunde hin, kleine Pause und eine Stunde wieder zurück. Das schafften schon viele vom WSM, und die Brotzeit danach brachte den Energiepegel wieder in die Höhe. Das scheint beim WSM jetzt jährliche Übung zu sein, wie man dem Jahresprogramm entnehmen kann. Mit Beiboot vom Club[1]kollegen. War’s das schon? Oder gibt es noch andere Möglichkeiten? Der See ist so riesig. Was liegt näher, ihn einfach zu umfahren? Surfsport-Schumacher hat die Initiative ergriffen, ist aber an den Vereinen gescheitert. Die wollten keine Gruppe bei sich übernachten lassen. Eine Woche hätte man sicher gebraucht. Also selber versuchen. Von Manfred hat man mal etwas gehört, dass er mit einem Air-SUP weit in den Überlingersee gefahren sei. Luft raus, SUP in den Rucksack, mit der Bahn, die überall seenah ist, nach Hause. Tolle Aktion. Aber genauer weiß man nichts, wäre Manfred aber jederzeit und immer noch zuzutrauen. Über den See und dann weiter am Schweizer Ufer? Das könnte man mal probieren. Mit einem Navigationsprogramm die Kurse und Längen berechnen, die Fahrdaten eingeben – und heraus kam ein Vieleck von ca. 25 – 30 km Länge. Überschlag: Fahrzeit etwa 6 Stunden mit kleinen Pausen. Halten das die Beine aus? 6 Stunden stehen? Sportstrümpfe halten die Wadenmuskeln zusammen. Dann müsste es klappen. Jetzt nur noch passendes Wetter dazu. Wochenlang wurde verschoben: Zu kalt die Luft und erst recht das Wasser. Zu stürmisch der Wind. Und immer von der falschen Richtung.2 Aber am Dienstag, 15. Juni 2021 war alles (fast) perfekt

Der Wecker rasselt um 4 Uhr. 4.30 Uhr Abfahrt nach Meersburg. Board aus der Hülle. Runter zur Rampe. Ruck[1]sack mit Verpflegung und die Schwimmweste versorgen. Genau 5.05 Uhr noch in der Dämmerung geht es Richtung Konstanzer Trichter. Ein Blick zurück: die Son[1]ne wird gleich aufgehen (5.24 Uhr). Der See still wie ein Teich.3 Man ahnt schon die Sonne. Temperatur um die 14 – 15 °C. Kein Motorboot weit und breit, kaum ein Fischer zu sehen. Konstanz, Bottighofen sind immer besser zu sehen. Ein Blick nach links. Da muss ich noch hin – frei[1]willig! Könnte ja jetzt umkehren, keiner hätte es gemerkt. Der See immer noch ungewohnt glatt. Gutes Zeichen. Allerdings war die Überfahrt nicht ohne Gegenbrise. Der Wetterbericht hat nur bei der Temperatur gestimmt.

Etwas unter einer Stunde, genau im Zeitplan. Ein paar Minuten Rast, dann geht es weiter Richtung Bottighofen, da wo diese beiden hässlichen Betontürme am Ufer stehen. Etwas weiter links Münsterlingen, Landschlacht und das nächste Ziel Altnau (der Ort mit dem weißen Kirchturm). Erschreckend weit in der Ferne. Da soll ich heute noch hin? Ein paar Schlucke Bodensee-Wasser, eine gelbe Rübe und eine Banane. Schwimmweste muss am Leib bleiben. Es wird langsam wärmer, jedoch gut verträglich, da das obligatorische Gegenwindchen gut kühlt. Das Ufer und die Orte kenne ich noch vom letzten Langschlag. Der endete aber in Altnau und führte direkt nach Meersburg zurück. Ein langer Weg über den See.4 Ade, einsamer Turm! Wann sehen wir uns wieder? Länger als erwartet zieht sich der Weg im Flachwasser am Schweizer Ufer entlang. Endlich vorbei am riesigen Bojenfeld, vorbei am Altnauer Segelhafen. Aber wo ist die rote Einlaufboje? Ah, da! Mutiert zur Mooringboje für Schiffe mit großem Tiefgang.

Ab und zu kleine Brisenstriche, natürlich von vorne. Kleine Wellen kommen aus dem Obersee. Der SUP-Bug platscht . Eine unnötige Bremse. Um das SUP in Trab zu halten, bedarf es mehr Muskelkraft. Nicht gut bei einem Langschlag. Auf dem ganzen Schweizer Ufer keine Kormorane zu sehen. Ganz im Gegensatz zum deutschen Ufer. Da waren mehrere Ansammlungen von mehr als 50 Kormorane zu sehen. Da kann die „Fischerin vom Bodensee“ gleich in Rente gehen. Was übrig bleibt, sind angefressene und von den Schnäbeln verletzte Fische. Unverkäuflich. Von Altnau nach Güttingen geht es an schilfigem Naturufer vorbei, ganz anders als bei uns, wo der Beton gehaust hat. Kleine Holzhütten am Rande mit einem Ruderboot, höchstens mit einem kleinen Außenborder. Ein Schock dann der Güttinger Hafen. Industrie. Kiesabbau? Der Hafen selber ist klein und nett, der Zugang, weil es flach ist, genau vorgegeben. Jetzt bin ich am Ziel angekommen. Weiter nach Osten soll es diesmal nicht gehen. Da wäre vielleicht noch Uttwil als kleinerer Ort. Immer noch im Zeitlimit. Kleine Pause. Gelbe Rübe Nummer zwei plus Bodenseewasser. Es kann losgehen! Der lange Weg über den See. Wo soll man sich orientieren? Die Immenstaader Hochhäuser sind genau richtig und immer deutlich zu sehen. Etwas links davon muss das Seezeichen dreißig sein. Es ist etwas diesig geworden. Natürlich kommt die die kleine Brise aus Ost. Zwei Drittel der Überfahrt wird also an Steuerbord gepaddelt. Nicht gut für die Muskeln, aber nicht zu ändern. Wer jammert, muss zuhause bleiben, oder?

Nicht schlecht navigiert, aber eigentlich sollte es das Seezeichen dreißig sein. Nicht weit entfernt, etwas weiter seewärts, steht es herum. Na also! Die Zeit passt. Noch gut 1 Stunde, besser 1 ¼ Stunden. Von der Schweizer Seite hat man die letzte Strecke Immenstaad – Meersburg gut gesehen. Unendlich lang erscheint mir das. Jetzt hat es keinen Sinn mehr abzukürzen. Die dritte gelbe Rübe muss her. Es wird allmählich warm. Schwimmweste runter. Wieder gutes Bodenseewasser schlürfen. Das muss reichen.

Der „ewige Segler“, das schöne Badehaus. So etwas müsste man haben. Das Schloss gehört dann
aber auch dazu. Wer will das haben? Viel zu teuer, ein Leben lang restaurieren. Nichts für einen einfachen SUPe

Kleine Plätscherwellen begleiten mich, vorbei am Hafen Kirchberg, weiteren Ansammlungen von Kormoranen, bis endlich Hagnau vorbeizieht. Nur wenige Dampfer waren bisher zu sehen. Die beiden Katamarane glitten mehrmals vorbei und der Zeppelin war mindestens fünfmal über mir. Was die da oben wohl dachten über den einsamen Paddler mit der weißen Kappe? Auf dem Foto erscheint der Meersburger Yachthafen noch unendlich weit. Allmählich schmerzen die Waden. Ein paar Ausgleichsbewegungen verbessern die Situation aber

Kleine Plätscherwellen begleiten mich, vorbei am Hafen Kirchberg, weiteren Ansammlungen von Kormoranen, bis endlich Hagnau vorbeizieht. Nur wenige Dampfer waren bisher zu sehen. Die beiden Katamarane glitten mehrmals vorbei und der Zeppelin war mindestens fünfmal über mir. Was die da oben wohl dachten über den einsamen Paddler mit der weißen Kappe? Auf dem Foto erscheint der Meersburger Yachthafen noch unendlich weit. Allmählich schmerzen die Waden. Ein paar Ausgleichsbewegungen verbessern die Situation aber nicht nachhaltig. Nur noch eine gute halbe Stunde, dann ist es geschafft. Fünfeinhalb Stunden fast ohne Pause, das ist für meine lädierten Knie kein Vergnügen. Aber für einen normal-sportlichen Menschen ohne solche Knie-Probleme gut zu schaffen. Etwas Willenskraft sollte man aber schon mitbringen. Da ist ja schon die WSM-Rampe! Ging doch schneller als gedacht. Von 5.05 Uhr bis 10.51 Uhr. Es ist recht warm geworden. Wieviel Paddelzüge man wohl gemacht hat? Gemütliche alle 3 Sekunden ein Zug, dann sind das circa 7200 Paddelschläge auf dieser Tour

Und so sah das Navigationssystem meine Fahrt. Meersburg – Hörnle war 100 % identisch. Direkt nach Altnau wollte ich wohl nicht, sondern mehr in die Flachwasserzone Richtung Ufer. Daher der Knick. Nach Güttingen näher am Ufer, nahe der Schilfzonen, um den Wellen aus dem Obersee auszuweichen. Richtung Immenstaad peilte ich den Pfahl 31 an, statt Seezeichen 30. Aber eigentlich die Hochhäuser von Immenstaad. Der Rest war klar. Kann man so eine Tour weiterempfehlen? Für die Mehrheit der WSM-Mitglieder sicher nicht. Da ist Hagnau oder das Hörnle mehr als genug. Wir haben aber ein paar wenige, zähe, ehrgeizige Paddler im Club. Und denen würde ich dieses wunderschöne Naturerlebnis nach intensiver Vorbereitung empfehlen. Vielleicht bei Altnau abbiegen Richtung Meersburg. Und die Zukunft? Wird es eine Wiederholung geben? Oder eine Air-SUP-Tour in den Überlingersee? Mit Zugfahrt nach Hause? Wer weiß? Das lassen wir mal offen! Im achtzigsten Lebensjahr muss ja auch noch etwas Spannung sein.